Klimatisch Bewegt


Urban gardening

Autor, Fotograf, Baum- und Naturexperte Conrad Amber im Interview

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Foto: Dietmar Mathis

(lisi) „Bäume auf die Dächer – Wälder in die Stadt“ – so der Buchtitel seines aktuellen Werkes, aber vielmehr ist es auch ein Plädoyer eines Querdenkers. Conrad Amber setzt sich mitreißend für eine nachhaltige Zukunft ein und zeigt dabei anhand von Beispielen auf, wie jeder Einzelne Veränderungen hervorrufen kann. Im Interview mit dem PASSIVHAUSmagazin spricht der Vorarlberger über seine beiden erschienenen Bücher, visionäre Projekte als auch bereits realisierte Referenzprojekte, die Wirkung von Grünpflanzen in urbanen Räumen, aber auch über Ansätze, wie die „Städte der Zukunft“ aussehen können und welche Tipps der Experte für Städteplaner parat hält.

Herr Amber, Sie sind Autor, Fotograf, aber auch Baum- und Naturexperte. Regelmäßig zeigen Sie bei Ihren Vorträgen visionäre Projekte. Direkt gefragt: Warum definieren Sie den Baum als Freund und Begleiter des Menschen?
Conrad Amber:
Wir sind Teil der Natur, wie eben der Baum auch. Ohne Bäume könnten wir auf unserer Welt nicht leben, sie geben uns Atemluft, versorgen uns mit Nahrung, regulieren Klima und Wasserhaushalt und wir nützen ihre Früchte, Nüsse, Blüten und Blätter, gewinnen aus ihnen Medizin und Holz. In vielen Regionen unserer Erde leben die Menschen vom Wald und Baum. Wer einen Baum pflanzt, denkt und handelt über Menschengenerationen hinaus.

In Ihrem neuesten Buch „Bäume auf die Dächer – Wälder in die Stadt“ sprechen Sie über Begrünungsinitiativen in verschiedensten Formen – von der Begrünung von Hochhäusern, bis hin zum Grünpflanzen-Projekt auf Felswänden. Im Allgemeinen appellieren Sie zu mehr „Grün“ in den Städten – welche Wirkung haben Grünpflanzen in urbanen Räumen und inwieweit profitieren wir, jeder Einzelne von uns, davon?
Conrad Amber
: Pflanzen erzeugen durch Photosynthese den für uns lebensnotwendigen Sauerstoff und entnehmen der Atemluft das CO2. Sie filtern die Luft von Schadstoffen und Feinstaub und befeuchten und kühlen ihre Umgebung. Dadurch werden sie zum Luftverbesserer in unseren Städten und zum entscheidenden Klimafaktor der Zukunft. Pflanzen bieten Nahrung für unsere Nützlinge und Bestäuber, bilden Lebensraum für unzählige Tiere und geben unserer Seele eine wunderbare, ausgleichende Wirkung. Wer Bäume in seiner Nachbarschaft hat, lebt beruhigter und gesünder.

Die Temperaturen unserer Städte steigen tendenziell als Folge bzw. Auswirkungen des Klimawandels an. Welche Ratschläge hätten Sie für Städteplaner (Häuserplaner) parat? Wie sollte die „Stadt der Zukunft“ aussehen?
Conrad Amber:
Je grüner, je naturnaher, desto besser. Und wenn wir genau hinschauen, ist pflanzliches Leben überall möglich. Auf unseren Flachdächern zuerst und am einfachsten. An vielen Fassaden können Rankpflanzen und Kletterpflanzen leben, auf unseren Balkonen Efeu, Farne und alle blühenden Pflanzen. Vor unseren Häusern gehören Gehwege, Fahrbahnränder und Brachflächen begrünt und unsere Stadtstraßen müssten mit Alleen-Reihen begrünt und beschattet werden. Freie Flächen sollten zu kleinen Wäldchen verwildern dürfen und die Überpflege der Parks muss reduziert und wieder naturfreundlicher werden. Die Wirkung auf Lebensqualität, Gesundheit und die Atemluft ist rasch feststellbar und wird sich jährlich steigern.

„Pflanzen filtern die Luft von Schadstoffen und befeuchten und kühlen ihre Umgebung. Dadurch werden sie zum Luftverbesserer in unseren Städten und zum entscheidenden Klimafaktor der Zukunft.“

In Ihrem Buch setzen Sie sich engagiert für eine nachhaltige Zukunft ein. Können Sie uns konkrete Beispiele aufzeigen? Inwieweit kann jeder Einzelne Veränderungen herbeirufen?
Conrad Amber
: Die Wanderallee in München (des Vereins GreenCity) hat schon viele Straßenzüge nachhaltig in Alleen verwandelt. Dachgärten auf Wohngebäuden (wie etwa auf der ehemaligen Sargfabrik in Wien) dienen als Vorbild für einen naturnahen, sozialen Wohnbau. Menschen sind auf ihrem Haus, graben in Erde und arbeiten mit Pflanzen oder genießen ihre Freizeit in der Natur. Urban gardening ist in vielen Städten zu einem wertvollen Bestandteil eines kooperativen und gesundheitssteigernden Lebens geworden. Wir alle können da mitmachen und uns einbringen. Eine Hausgemeinschaft dazu zu bringen, im Hof einen Baum oder eine grüne Insel zu schaffen, an der Hauswand Rankpflanzen zu setzen oder alle Balkone individuell zu begrünen. Freunde und Arbeitskollegen zu animieren und zu unterstützen, wenn sie grüne Aktionen planen. Bei Baumprojekten (wie in Hamburg oder München) zu spenden und damit das Pflanzen größerer Bäume zu ermöglichen u.v.m. 

Sie zeigen in Ihrem Buch auch positive Beispiele auf – zahlreiche Kommunen, Architekten oder Hausbesitzer haben bereits Vorzeigeprojekte realisiert – können Sie hierbei ein besonderes Referenzprojekt näher erläutern?
Conrad Amber: Aus den vielen naturschonenden Projekten ist es tatsächlich schwierig, auszuwählen. Vielleicht der Neubau einer Volksschule in Lauterach. Dort wurden auf dem Vorplatz des bestehenden Schulhauses einige Schulklassen-Gebäude dazu gefügt. Es gab einen schützenswerten Baumbestand und die Vorgabe, diesen zu schonen und einzubinden. So wurden die neuen Holzbauten auf Stützen gesetzt um unter dem mächtigen Flügelnussbaum oder neben einer großen Linde stehen zu können und eine optimale Wurzelschonung zu gewährleisten. Die große Blutbuche überschattet nun den Schul-Innenhof. Und auf den Dächern konnten mit intensiver Dachbegrünung Blumenwiesen angelegt werden, auf welchen tatsächlich regelmäßig der Bio-Unterricht abgehalten wird, im Schatten der großen Baumkronen. Ein wirklich gelungenes, preisgekröntes und vorbildliches Projekt, das von einem respektvollen Umgang mit Bäumen zeugt.

Von Ihrem Erstlingswerk „Baumwelten“ haben Sie allein im ersten Jahr über 10.000 Exemplare verkauft. Hierfür durchstreiften Sie jahrelang die schönsten und eindrucksvollsten Naturlandschaften Mitteleuropas. Wie kam es zu dieser Motivation? Und auf welchem Teil des Kontinents sind Sie auf die beeindruckendsten visuellen Erlebnisse gestoßen?
Conrad Amber: Ich bin nach wie vor in Mitteleuropa unterwegs. Damit erspare ich mir Flüge und weite Reisen. Das „Gute liegt so nah“. Anfänglich habe ich den Besuch der uralten Bäume und der letzten Naturwälder Europas für mich gemacht. Es gibt und gab kaum intensivere und schönere Erlebnisse. Doch dann wurde mir klar, dass ich diese einzigartigen Schätze mit anderen Menschen teilen sollte, damit eine Sensibilisierung stattfindet, eine neue Freude mit Bäumen und Wäldern entstehen kann und damit auch eine Haltung des Schätzens und des Schützens wachsen kann.

Wenn man nach vielstündiger Wanderung – wie im Val Mustaire auf 2.200 Meter plötzlich vor dem ältesten Zirben-Bergurwald der Welt steht, ist das unbeschreiblich. Dieses Gefühl des Entdeckens und Erfahrens ist so tief und stark und umfasst Dich mit allen Sinnen. Oder der Geruch des alten Hutewaldes Reinhardswald bei der Sababurg, in dem die Brüder Grimm ihre Märchen geschrieben haben. Ein Spaziergang dort, natürlich barfuß (!) bleibt Dir für immer erhalten. Und eine 1000 jährige Urlärche im Ultental im Südtirol anzufassen, sie zu umarmen, lässt sich kaum in Worte fassen. Ein Lebewesen von diesem Alter zu erfahren, ist eine grandiose Erfahrung, die eigentlich jeder von uns machen sollte. Dann verzichten wir gerne auf andere, luxuriöse Urlaube. Grundsätzlich sind die Baumgreise sehr selten geworden und viele von ihnen haben nur überlebt, weil sie entweder ganz versteckt leben und nicht gefällt wurden oder weil sie ein wichtiger Teil einer Dorfgeschichte oder ein dokumentiertes Denkmal geworden sind.

Noch eine sehr direkte Frage: Conrad Amber ist ihr Künstlername – warum treten Sie unter diesem Pseudonym auf?
Conrad Amber: Bei Autoren ist das übrigens oft der Fall. Conrad ist mein zweiter Vorname, der mir wesentlich besser gefällt. Und Amber ist bedeutungsvoll, steht für einen Ahornbaum, für Bernstein (uraltes Baumharz). Conrad Amber gibt es offenbar nur einmal und deshalb habe ich diesen Namen auch schützen lassen und möchte ihn – im Laufe meiner Tätigkeiten – zur Marke machen. Für mich half es sehr, meine neue Arbeit als Autor, Fotograf und Redner damit klar gegenüber meinen früheren Unternehmertätigkeiten zu trennen. Übrigens bin ich über Facebook mit einer Fotografin in den USA „befreundet“. Ihr Name: Amber Conrad. Ich schreibe ihr hello Amber, sie zurück : hello Conrad...

Abschließend sind wir noch neugierig, wie der Baum- und Naturexperte selbst lebt? Schmuckes Einfamilienhaus mit Garten oder begrüntes Hochhaus?
Conrad Amber: Vor 27 Jahren kaufte ich mir in Dornbirn ein Holzhaus mit kleinem Garten. Das wurde im Laufe der Zeit für unsere 5köpfige Familie ausgebaut und ich konnte Grund von Nachbarn zukaufen. Inzwischen ist ein Waldgarten entstanden, mit etwa 30jährigen Bäumen, an der Holzfassade klettern Pflanzen und weithin sichtbar kündet eine riesige Pappel vor dem Haus, wo es zum Amber geht. Mein Gartenbüro im Haus befindet sich in einem geräumigen Wintergarten mit freier Sicht in meinen wildromantischen Garten. Ich sitze vor den Computern an unbehandelten Zirbenholztischen, beobachte die Vögel und die Natur im Garten, empfange hier Gäste und arbeite deshalb manchmal viel zu lange. Aber in dieser Umgebung macht mir das reine Freude und alle Besucher und meine Lieben verstehen das auch.

Kontakt: www.conradamber.at