Klimatisch Bewegt


Bundespräsident Dr. Alexander Van der Bellen im Interview

„Überzeugt, dass eine Neuorientierung in der Energiepolitik eine Schlüsselrolle einnimmt“

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Foto: Hbf / Carlovits

Ein ausgeprägtes Bewusstsein für Umwelt- und Naturschutz, und damit verbundene aktive Beteiligung, zollt Bundespräsident Alexander Van der Bellen den österreichischen Bürgerinnen und Bürgern. Im Interview mit dem PASSIVHAUSmagazin spricht der Bundespräsident auch über prognostizierte Horrorszenarien und seine ganz persönliche Einschätzung der Entwicklung des Klimawandels. Auch über Österreichs Einfluss auf die internationale Klimapolitik oder die europapolitische Aufgabe, nachhaltige Energieeffizienz und Stromerzeugung aus regenerativen Energiequellen zu forcieren...

(lisi) In Zeiten der Veränderung gibt es aktuell viele Herausforderungen zu bewältigen, sei es am Arbeitsmarkt, Migration, uvm. Die wahre „Herkulesaufgabe“ wird jedoch die Klimaentwicklung darstellen – wie würden Sie in Ihrer Position Ihren Einfluss auf die internationale Klimapolitik definieren? Und wie gehen Sie dabei mit Trump, Putin & Co um?
Alexander Van der Bellen:
Die menschengemachte Klimaerhitzung ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, mit drohenden negativen Auswirkungen nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf die Wirtschaft und damit auf den sozialen Zusammenhalt. Umso bedauerlicher ist es, dass US-Präsident Trump wichtige Klimaschutzmaßnahmen seines Vorgängers Obama wieder zurückgenommen hat. Klimaschutz war mir immer ein großes Anliegen, und ich werde selbstverständlich auch als Bundespräsident alles dazu tun, um meinen Einfluss geltend zu machen, dass aktiver Klimaschutz möglichst weit oben auf der politischen Agenda steht. Ich werde das Thema bei meinen Kontakten im In- und Ausland ansprechen und Initiativen und Projekte in Sachen Klimaschutz so gut als möglich unterstützen.

„Österreich sollte den Weg in Richtung Stromerzeugung aus sauberen, erneuerbaren Quellen konsequent fortsetzen.“

Klimatologen prognostizieren wahre Horrorszenarien – was glauben Sie, wohin führt der Weg? Wie würden Sie die Entwicklung in 20 bis 30 Jahren einschätzen?
Alexander Van der Bellen:
Das wird zuletzt auch davon abhängen, wie sehr es der internationalen Staatengemeinschaft gelingt, das Klimaschutzabkommen von Paris mit Leben zu erfüllen und wirksame Maßnahmen zu setzen. Gelingt dies nicht, drohen laut Klimaforschern gravierende Folgen. Ich hoffe aber, dass die Staatengemeinschaft die vielen Vorteile – auch für Wirtschaft und Arbeitsmarkt – sieht, die ein aktiver Klimaschutz bringen kann.
 

Wenn man von Klimapolitik spricht, wird dies primär mit der Erderwärmung assoziiert. Studien belegen jedoch, dass diese Auswirkungen des Klimawandels äußerst vielfältig sind. Ein Beispiel ist im Bereich der Luftschadstoffe zu finden –  hierbei belegen Studien, dass diese Belastung durch zahlreiche Maßnahmen in Österreich und Europa zwar reduziert wurde, bei manchen Schadstoffen ist die Belastung für die Umwelt allerdings weiter zu hoch. Was glauben Sie – welche Maßnahmen sind für diese Schadstoff-Reduktionen auf nationaler und auch internationaler Ebene notwendig?
Alexander Van der Bellen:
Konkrete Maßnahmen liegen in der Verantwortung der Regierungen. Ich bin aber überzeugt, dass eine Neuorientierung in der Energiepolitik – weg von fossilen, hin zu erneuerbaren Energieträgern – eine Schlüsselrolle einnimmt, nicht nur im Klimaschutz, sondern auch zur Reduktion gesundheitsschädlicher Luftschadstoffe.
 

Wenn man China als Beispiel sieht – hier findet im Bezug auf die Klimaentwicklung wahrlich eine Revolution statt. Die Masse der Bevölkerung im Land scheint erkannt zu haben, dass der Klimawandel von schicksalhafter Bedeutung für die Menschen im Land ist. Was glauben Sie, wie sehr setzten sich die Österreicherinnen und Österreicher mit dem Begriff „Klimawandel“ und dessen Folgen auseinander?
Alexander Van der Bellen:
Die österreichische Bevölkerung hat ein sehr ausgeprägtes Bewusstsein für Umwelt- und Naturschutz, das wurde in den letzten Jahrzehnten bereits mehrfach unter Beweis gestellt. Ich denke, dass es eine hohe Bereitschaft bei den Bürgerinnen und Bürgern gibt, sich am Klimaschutz aktiv zu beteiligen, das zeigen beispielsweise auch die vielen Initiativen zu diesem Thema in österreichischen Gemeinden.
 

Österreich setzt intensiv auf erneuerbare Energien. Österreich selbst deckt seinen Strombedarf zu großen Teilen aus Wasserkraft. Energieversorgungsunternehmer klagen jedoch, dass „Dumping-Strompreis-Anbieter“ aus dem Ausland, die teils Strom in Atom- oder Kohlekraftwerken produzieren, Kunden abwerben? Zudem scheint die Lage am Strompreismarkt prekär. Wie stehen Sie zu dieser Thematik?
Alexander Van der Bellen:
Österreich sollte den Weg in Richtung Stromerzeugung aus sauberen, erneuerbaren Quellen konsequent fortsetzen. Genauso wichtig sind aber Maßnahmen im Bereich Energieeffizienz. Generell geht es natürlich auch darum, durch entsprechende Maßnahmen auf europäischer Ebene die Weichen in ganz Europa in Richtung nachhaltige Energieerzeugung und Effizienz zu stellen und so Alternativen zu nicht nachhaltiger Energieerzeugung aus fossilen oder atomaren Quellen zu forcieren.


Einer Presseaussendung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft war zu entnehmen, dass Sie eine Zusammenarbeit mit BM Andrä Rupprechter bei der Umsetzung der Ergebnisse der Pariser Klimakonferenz COP 21 im Rahmen einer integrierten Klima- und Energiestrategie anstreben. Welche Erwartungen sehen Sie darin?
Alexander Van der Bellen:
Ich werde in meiner Rolle als Bundespräsident auf allen Ebenen dazu beitragen, dass das Thema Klimaschutz und entsprechende Maßnahmen in der Energiepolitik hoch oben auf der politischen Agenda steht. Die Bundesregierung und alle befassten Ressorts, aber auch die Bürgermeister und die Zivilgesellschaft finden dabei in mir einen engagierten Partner.
 

Drei Tage nach ihrem Wahlsieg durften Sie den früheren UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon empfangen. In welchem Kontakt stehen Sie zueinander? Welchen Stellenwert zollen Sie dem UNO-Amtssitz in Wien?
Alexander Van der Bellen:
Ban Ki-Moon hat in seiner zehnjährigen Amtszeit als UNO-Generalsekretär einige wichtige Projekte durchsetzen können, die auch für den Amtssitz Wien von großer Wichtigkeit sind, allen voran die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Dieses Engagement für Nachhaltigkeitsthemen ist sicher etwas, was uns verbindet.

Darüber hinaus ist er unter anderem aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Botschafter Südkoreas ein guter Kenner und Freund Österreichs.

Der Amtssitz Wien ist für Österreich von immenser Bedeutung, sowohl wirtschaftlich als auch politisch, sind doch einige der Zukunftsfragen, die uns weiter beschäftigen werden, thematisch in Wien angesiedelt, so etwa Energiefragen, nachhaltige Industrialisierung oder Migration.
 

Eine der Hauptaufgaben der UNO stellt auch eine funktionierende Zusammenarbeit dar, um globale Probleme lösen zu können. Wie wichtig ist eine globale einheitliche Lösung bei der Bewältigung der Herausforderungen, beispielsweise der Klimaentwicklung?
Alexander Van der Bellen:  
Es versteht sich von selbst, dass kein Land der Welt alleine etwas gegen Klimawandel ausrichten kann. Es gibt keinen Plan B, wenn Sie so wollen – das geschlossene Engagement der internationalen Gemeinschaft in dieser Frage ist unabdingbar. Die erfolgte Einigung bei der Klimakonferenz COP 21 2015 in Paris auf die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad ist zwar erfreulich, aber jetzt geht es darum, auch die entsprechenden Maßnahmen zur Erreichung dieses wichtigen Ziels umzusetzen.