Klimatisch Bewegt


Generation 50 plus: das Gold von morgen

Ein Ausflug in die Zukunft: Wie sich die Alterung der Bevölkerung auf unsere Lebensbereiche auswirkt

(mek) Der aus Deutschland stammende Unternehmer und Buchautor („Marktmacht 50+“, 3. Auflage, und „Boom-Branchen 50+“, erschienen bei Springer Gabler) Hans-Georg Pompe beschäftigt sich intensiv mit der Generation 50+. Im Interview geht er der Frage nach, wie diese im Jahr 2030 leben und wohnen will. Seine Devise: Die Generationen müssen sich ergänzen und können sich gegenseitig bereichern – beim Wohnen, Arbeiten, Wissensaustausch und beim Leben…


Leben und Wohnen 2030: Wie will die heutige Generation 50+ im Alter leben, wohnen, genießen, betreut und gepflegt werden?
Hans-Georg Pompe: Ein zunehmender Wandel der Lebensstile wird einen nie dagewesenen Wandel der Angebote nach sich ziehen. Die Lebenswelten und die Lebensstile der jetzigen Generation 70plus – die momentan zuhause oder in Seniorenresidenzen oder Pflegeheimen wohnt – unterscheiden sich signifikant von der heutigen Generation 50plus, die sich neue Formen des Zusammenlebens im dritten Lebensabschnitt wünscht. Man denke hierbei nur an die Einstellungen zum Leben, zur Gesundheit, zur Ernährung, zu kulturellen Angeboten, zur Umwelt und Ökologie, zum Wohnen, zum Älterwerden. Lebensstile entziehen sich in Zukunft den Gewohnheiten der Vergangenheit. Auch im Lebensstil muss man heutzutage stark differenzieren und seine Angebote adäquat nach der gewünschten Zielgruppe ausrichten: Neue intergenerative Wohnformen oder Wohngemeinschaften im Alter werden die einstmaligen Pflegeheime, Residenzen, Altenstifte, Altenheime und Betreutes Wohnen ersetzen oder mit ihnen stärker als bisher konkurrieren.

„80 ist die neue 66 – die Leute werden gesünder immer älter, aber auch einsamer…“

Welche Auswirkungen auf gesellschaftliche und politische Strukturen kann dies Ihrer Einschätzung nach haben?
Hans-Georg Pompe: Die zunehmende Vergreisung, Singularisierung und Vereinsamung werden gravierende gesellschaftliche und politische Auswirkungen haben. Niederschwellige Wohn- und Betreuungsangebote, aber auch intelligent vernetzte „Satellite-Lösungen“ im Wohnquartier werden zunehmend wichtiger. Babyboomer, also Menschen, die zu Zeiten steigender Geburtenraten wie nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden, wollen nicht abgeschoben werden, sondern mitten im Leben ihr Älterwerden genießen. Sie wollen das Alter positiv erleben.

 

Was raten Sie politischen Entscheidungsträgern in puncto Raumordnung oder auch Wohnbauträgern?
Hans-Georg Pompe: Sie sollten sich beizeiten mit den Sehnsüchten, Träumen und Lebensmodellen dieser Menschen 50+ beschäftigen, sie aktiv in städtebauliche Planungen einbeziehen, sich auch mit der heutigen Generation 40+ mehr auseinandersetzen. Völlig andere Städte werden entstehen, sich neu definieren müssen. Urbane Orte der Begegnungen und der intergenerativen Lebendigkeit sind gefordert – mit neuen Mobilitätskritierien. Beruf und Unruhestand werden ineinander übergehen und sich ergänzen.


Welche gravierenden gesellschaftlichen Auswirkungen sehen Sie durch die drastische Alterung der Bevölkerung?
Hans-Georg Pompe: Wir steuern auf der einen Seite in eine „Gerontokratie“ – mit nie dagewesenen vielen 100-Jährigen. 80 ist die neue 66 – die Leute werden gesünder immer älter, aber auch einsamer. Ich erwarte einen Retro-Trend, wieder hin zur Großfamilie, Alt und Jung unterstützen sich gegenseitig, Wohlfühl-Communitys mit innovativen Verbundkonzepten werden boomen. Die heutigen Babyboomer werden hier einiges Neues bewegen und umsetzen – es ist die Machergeneration schlechthin. Die Marktmacht 50+ wird politischen und gesellschaftlichen Druck ausüben und beeinflussen wo möglich.

 

Welche gesellschaftlichen Risiken sehen Sie damit verbunden?
Hans-Georg Pompe: Ich bin kein Politiker – aber die Pensionssysteme werden ab 2030 so nicht mehr funktionieren – das ist heute schon definitiv. Wir Älteren (im Jahr 2030 bin ich 73) werden dann von den Jüngeren politisch regiert, die darüber entscheiden werden, ob ein Krankenhausaufenthalt, eine neue Hüfte, eine neue Wohnung, ein überlebenswichtiges Herzmedikament noch Sinn machen oder nicht. Die Zweiklassenmedizin ist ja heute schon Realität pur – auf Arzttermine muss man lange warten, teure Medikamente gibt es nur noch für Privatpatienten. Die Renten der Zukunft werden deutlich niedriger ausfallen als geplant, ein Zweitjob für Pensionäre obsolet, Verschuldung im Alter leider keine Seltenheit mehr sein. Aber einige Reiche sonnen sich auf den schönsten Inseln der Welt, werden ihr Leben in Saus und Braus genießen – die Schere wird immer mehr auseinanderklaffen. Die Zukunftsdevise aus meiner Sicht muss lauten: mehr Gemeinsamkeit, mehr miteinander, mehr Rücksicht, mehr Nachsicht, mehr intergenerativ. Die Generationen müssen sich ergänzen und können sich gegenseitig bereichern – beim Wohnen, Arbeiten, Leben, Wissensaustausch.

 

Welche Chancen orten Sie?
Hans-Georg Pompe: Ich sehe große Chancen für die Wohnungswirtschaft, Städteplaner, Architekten, Wohndesigner, Handwerker, spezialisierte Umbauunternehmen, Nachhaltiges Bauen, Anbieter von Komfortprodukten wie Multimediageräten, Sicherheit, Alarmanalagen etc., Facility-Management rund um die Immobilien, altersgerechtes generationsübergreifendes Servicewohnen und Quartiersgestaltung für spezielle Mikro-Zielgruppen. Die heutigen Babyboomer werden die Welt verändern, eine Flut neuer innovativer Produkte und Dienstleistungen hervorbringen. Die Unternehmen müssen völlig neu ausgerichtet werden auf eine Bevölkerung die das „Älterwerden“ gerade völlig neu für sich definiert. Die Zukunft hat begonnen – jetzt. Die Generation 50plus ist das Gold von morgen.