Klimatisch Bewegt


Die Kombination aus drei Strategien

Autor Christof Drexel präsentiert sein neues Buch

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Foto: Lisa Mathis

(lisi) Jeder Mensch kann seine persönliche CO2-Bilanz verbessern. Der Vorarlberger Buchautor Christof Drexel schreibt die größten Potenziale neben der Errichtung energieeffizienter Gebäude den Faktoren Ernährung und Mobilitätsverhalten zu. In seinem neu erschienenen Buch „Zwei Grad. Eine Tonne. Wie wir das Klimaziel erreichen und damit die Welt verändern“, berechnet der erfahrene Unternehmer und Techniker auf 220 Seiten detailliert die Wirkung von Maßnahmen zur CO2-Reduktion, schlägt Strategien vor und zeichnet ein mutiges Bild der Erneuerung unserer Gesellschaft.

Kürzlich haben Sie ihr neues Buch mit dem Titel „Zwei Grad. Eine Tonne. Wie wir das Klimaziel erreichen und damit die Welt verändern“ präsentiert. Wofür stehen die „zwei Grad“ und die „eine Tonne“?
Christof Drexel:
Zwei Grad ist das allseits bekannte Klimaziel – die globale Erwärmung muss mit allen Mitteln unterhalb von zwei Grad gehalten werden. Sicherer wäre das Stoppen der Erwärmung bei 1,5 Grad, das ist aber realistischerweise nicht mehr erreichbar. Die Emission an Treibhausgasen muss schon drastisch reduziert werden, um die zwei Grad einzuhalten: In etwa 20, 25 Jahren dürfen es nur noch etwa zehn Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent sein. Deshalb liegt die Emission, die – bei einer Weltbevölkerung von zehn Milliarden Menschen – von jedem Erdenbürger verursacht werden kann, genau bei einer Tonne. CO2-Äquivalent pro Person und Jahr. Derzeit liegen wir in Mitteleuropa bei rund 12 Tonnen.

Um die globale Erwärmung unter dem gefährlichen Ausmaß von zwei Grad zu halten, müssen die jährlichen CO2-Emissionen also stark reduziert werden. Welche Lösungsansätze hätten Sie hierfür?
Christof Drexel:
Rein technisch gesehen präsentiere ich keine bahnbrechenden Ansätze. Es stehen uns ja bereits alle Mittel zur Verfügung. Effizienz und Erneuerbare spielen eine große Rolle, was ich aber neu hinzu kombiniere und zudem genau quantifiziere, ist der Lebensstil. Dieser Einfluss ist viel größer als die meisten Menschen glauben, außerdem bieten uns Veränderungen in diesem Bereich interessante Perspektiven. Reduktion ist in unserem Leben viel zu negativ besetzt: Dabei ist zum Beispiel weniger Stress nur gut, etwas weniger Arbeit würde vielen Menschen auch nicht schaden. Weniger zurückgelegte Wegstrecke entschleunigt unser Leben, etwas weniger Fleischkonsum macht uns gesünder. Neben all diesen positiven Begleiterscheinungen versuche ich jedenfalls nachzuweisen, dass nur die Kombination dieser drei Strategien – Lebensstil, Effizienz und Erneuerbare – zum gewünschten Erfolg führen kann. 

Autor Christof Drexel berechnet in seinem Buch auf 220 Seiten detailliert die Wirkung von Maßnahmen zur CO2-Reduktion, schlägt Strategien vor und zeichnet ein mutiges Bild der Erneuerung unserer Gesellschaft.

Um das Klimaziel zu erreichen, wird also nicht nur ein wirtschaftlicher, auch ein gesellschaftlicher Wandel notwendig sein. Was glauben Sie, wie gelingt es, dass diese Bewusstseinsbildung in den Köpfen der Menschen stattfindet?
Christof Drexel:
Ich vertrete die Ansicht, dass Aufklärung und Bewusstseinsbildung zwar erforderlich, aber vollkommen unzureichend sind, um den gesellschaftlichen Wandel in der notwendigen Geschwindigkeit voranzutreiben. Die große Masse wird immer nach wirtschaftlichen Aspekten handeln – und das ist niemandem vorzuwerfen. Die Frage ist nur, was wirtschaftlich ist. So wie wir heute leben und wirtschaften, ist es zumindest volkswirtschaftlich nicht zielführend. In vielen Bereichen fehlt die Kostenwahrheit; Kosten werden externalisiert, an die Allgemeinheit oder an die nächste Generation ausgelagert. Klimaschädliches Wirtschaften wird teilweise sogar subventioniert. Das kommt die Volkswirtschaft früher oder später teuer zu stehen. Es geht also darum, den Fokus auf die wirtschaftlichen Zusammenhänge unseres Alltags zu legen. Warum handeln wir so, warum ist dieses heutige Leben in dieser Form normal? Und welche Mechanismen, welche Spielregeln unserer Gesellschaft müssten verändert werden, dass sozusagen eine andere Normalität entsteht?

Sie rechnen in Ihrem Buch vor, wie das Vorhaben, die CO2-Emissionen zu reduzieren, gelingen kann. Welche Effekte könnten wir, also jeder Einzelne von uns, mit veränderten Lebensgewohnheiten erzielen?  
Christof Drexel:
Diese Bandbreite ist groß. Wenn wir zunächst nur den Lebensstil betrachten – also beispielsweise effiziente Gebäude außen vor lassen – finden wir die größten Potenziale in der Ernährung und im Mobilitätsverhalten. Dabei geht es eigentlich kaum um Verzicht. Vielmehr steht ein gesundes, sogar lustvolles Leben im Vordergrund. Man muss auf Fleisch nicht verzichten, aber man könnte daraus etwas Besonderes machen: vielleicht nur einmal die Woche, dann aber ein richtig feines Stück, am besten vom Biobauern. Etwas weniger Milchprodukte wären der Gesundheit auch  zuträglich, dafür gibt´s mehr und vielfältiges Obst und Gemüse. Möglichst regional, saisonal und bio. Bei der Mobilität ist es ähnlich: Die Reduktion der jährlichen Kilometerleistung ist gut für das Klima, führt aber auch dazu, dass die eingesparte Fahrzeit für andere, vielleicht schönere Dinge zur Verfügung steht. Im Vordergrund steht nicht die Wahl des effizientesten Verkehrsmittels, sondern die Frage, ob wir alle diese Strecken überhaupt zurücklegen müssen. Insbesondere Flugreisen sollte man sich gut überlegen: Der Umweltökonom Niko Paech hat es drastisch formuliert: „Fliegen ist aus ökologischer Sicht das Ruinöseste, was man auf legale Art und Weise anrichten kann“. Weitere Potenziale bietet alles, was mit Konsum und Besitz zu tun – braucht jedes Familienmitglied ein eigenes Auto, einen eigenen Fernseher, … Mit weniger auszukommen, öffnet uns manchmal wieder die Augen für das Wesentliche.

Sie wagen sich in Ihrem Buch auch an eine utopische Geschichte heran. Konkret versetzt sich der Gastautor Wolfgang Mörth in das Jahr 2044. Was glauben Sie, wo werden wir stehen, wenn in puncto Klimaschutz nichts passiert bzw. wo werden wir im Gegensatz dazu stehen, wenn sich die Politik, Wirtschaft und die Gesellschaft intensiv darum bemühen?
Christof Drexel: Mit dem Szenario, dass im Klimaschutz nichts passiert, beschäftige ich mich in meinem Buch nicht. Darüber wurde (zu Recht!) schon so viel Bedrohliches geschrieben, das wollte ich nicht ein weiteres Mal wiederholen. Wenn wir die Kurve kratzen, wird es ohne blaue Augen zwar auch nicht gehen, aber die ganz großen (Natur-)Katastrophen bleiben aus. Wir werden insgesamt mit weniger Wirtschaftsleistung auskommen; insbesondere die Industrieleistung und der globale Güterverkehr werden zurückgehen, dafür werden die regionalen Ökonomien gestärkt. Die Digitalisierung wird mithelfen, Prozesse effizienter zu gestalten; sie wird aber entgegen mancher Einschätzung nicht dazu führen, dass jegliche Arbeit via Laptop vom Café aus verrichtet werden kann. Im Gegenteil – das Handwerk wird wieder an Bedeutung gewinnen, Reparaturen können mit industriellen Neuprodukten wieder mithalten. Die Landwirtschaft wird zunehmend dezentralisiert; sie wird weniger ressourcen- und maschinenintensiv, sodass hier wieder mehr Menschen Beschäftigung finden. 

Sie haben auch ein Unternehmen für Lüftungsbau geführt und dabei ein Kombigerät für Heizen, Lüftung und Warmwasserbereitung entwickelt, womit Sie zum Marktführer bei der Haustechnik für Passivhäuser aufgestiegen sind. Können Sie uns diese Entwicklung erläutern?
Christof Drexel: Darf ich hier vielleicht einen der persönlichen Absätze, die in meinem Buch immer wieder zu finden sind, zitieren? Uns Vorarlbergern sagt man nach, wir würden nicht lange reden, sondern machen. Wie das historisch gewachsen ist, weiß ich nicht, jedenfalls ist das Land mit knapp 400.000 Einwohnern heute hoch industrialisiert und wirtschaftlich sehr erfolgreich, dennoch gibt es keine Universität. Es wird – im sprichwörtlichen Sinn – nicht aus allem eine Doktorarbeit gemacht. So mag es auch gekommen sein, dass ich Mitte der 90er-Jahre begonnen habe, ein Wärmepumpen-Kompaktgerät für Passivhäuser zu entwickeln. Ich kannte weder Marktstudie noch Entwicklungsbudget, war mir aber sicher, dass diese Herausforderung so groß nicht sein konnte. Ich hatte ja zuvor schon einfache Lüftungsgeräte selbst gebaut und auch das erste österreichische Passivhaus mit meiner Technik ausgestattet. Mit einem sehr engagierten Netzwerk von Mitarbeitern und Ingenieuren in meinem Umfeld gelang es mir auch, ein Produkt (es wurde auf den Namen AEREX getauft) auf den Markt zu bringen. Nachdem es zunächst das Einzige dieser Art war, konnte es nicht mit anderen verglichen werden.Die Verbrauchswerte waren aber extrem niedrig. Ein sehr frühes Forschungsprojekt bestätigte das, die Daten waren offiziell: Mit unserem Gerät wurden Heizkosten von unter hundert Euro (pro Jahr) erreicht. Darauf war ich stolz, aber erst später verstand ich, dass dies keine technologische Meisterleistung war. Die Verbräuche waren so niedrig, weil die Technik in Passivhäusern zum Einsatz kam. Ob die Effizienz des Gerätes selbst nun zehn Prozent besser oder schlechter ist, wirkt sich in dem Fall nur marginal aus. Hingegen freue ich mich heute noch darüber, dass ich das Vorhaben einfach wagte, versuchte, die von wissenschaftlicher Seite formulierten Anforderungen zu erfüllen und das Konzept in die Praxis einführte.

Welchen Stellenwert zollen Sie im Allgemeinen dem energieeffizienten Bauen?
Christof Drexel: Obwohl mittlerweile „nur“ noch gut 10 Prozent der Treibhausgas-Emissionen auf das Konto der privaten Heizungen gehen, spielt das energieeffiziente Bauen mehrfach eine große Rolle: Das Bauen selbst kann mehr oder weniger ressourcenschonend erfolgen, mit einem energieeffizienten Gebäude kann nicht nur Heiz- sondern auch Kühlenergie eingespart werden (besonders im Nicht-Wohnbau) und energieeffiziente Gebäude vermitteln vor allem eines: Es ist möglich, den Ressourcenverbrauch drastisch zu reduzieren. Ohne Effizienz wird die erforderliche Reduktion nicht möglich sein; wir brauchen diese Effizienz im Gebäude, aber auch in allen anderen Sektoren. Das energieeffiziente Bauen ist Beweisführung, Vorbild und Motivation zugleich.