Klimatisch Bewegt


Die 2.000-Watt-Gesellschaft

Sparen um jeden Preis

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Foto: Olaf Malzahn

Max Schön: Unternehmer; Präsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome, Hamburg; Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung, Berlin

Der Unternehmer aus der Hansestadt Lübeck studierte Betriebswirtschaft in Stuttgart und hat 15 Jahre lang selbst einen Stahl- und Technikgroßhandel geleitet. Von 2001 bis 2005 war er Präsident des Verbandes „Die Familienunternehmer“. Max Schön war 2011 bis 2014 Vorstand der Stiftung 2°. Max Schön ist Mitglied im Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung und im Ehrenamt  Präsident des Deutschen CLUB OF ROME. Seit dem 1.1.2016 ist er Vorsitzender des Vorstands der Possehl Stiftung Lübeck, die auch Eigentümer der L. Possehl & Co. mbH - Unternehmensgruppe ist.

(BEP) Das ist die Devise dieses Jahrhunderts. Sei es beim Geld, im Bereich der fossilen Brennstoffe oder beim Energieverbrauch. Dass Sparen mit Einbußen der Lebensqualität in Verbindung gebracht wird, ist nachvollziehbar. Vor allem, weil sich gerade der Ottonormalverbraucher fragt: warum? Und wenn dann auch noch der Nachbar seinen neuen Spritfresser-Boliden vorfährt, wundert man sich nicht schlecht, warum man selbst eigentlich auf Solar und Hybrid setzt. Weil Energiesparen einfach noch nicht sexy genug ist. Das soll sich bald ändern. Zum Beispiel mit einem Modell wie der 2.000-Watt-Gesellschaft

 

Eine Idee mit und für Zukunft
2.000 Watt – ein Wert, der laut Experten möglich wäre, ganz ohne die Lebensqualität senken zu müssen. Sogar ökologisch verträglich, würde der Energiemix zu Gunsten erneuerbarer Energien verändert werden. Das klingt gar nicht so schwierig, wenn man bedenkt, dass der weltweite durchschnittliche Energiebedarf pro Kopf bei 2.500 Watt liegt. Die Schwankungsbreite bei Entwicklungsländern beläuft sich dabei auf nur einige hundert Watt. Leider schlagen einige Erdenbürger in Sachen Energieverbrauch deutlich über die Stränge: wir. Im deutschsprachigen Raum verbraucht jeder Einzelne 5-6.000 Watt. Das ist eindeutig zu viel, weiß auch Max Schön – Unternehmer, Vordenker und Verfechter der Idee einer nachhaltigen Wirtschafts- und Sozialordnung aus Lübeck. Wie wir das effektiv, nachhaltig und vor allem mit Herzblut ändern können, darüber haben wir uns mit ihm Unterhalten.

Ein Richtwert – viele Umsetzungsmöglichkeiten
„Was diese Idee von vielen anderen unterscheidet, ist der große Spielraum in der Umsetzbarkeit – die Rücksichtnahme darauf, dass jedes Bauprojekt eigene Voraussetzungen, Chancen und Möglichkeiten, Energie einzusparen, in sich birgt“, so Schön. 2.000 Watt sind eine Größenordnung, eine sinnvolle Maßeinheit für klimaschonende Energiepolitik, die es erlaubt, örtliche Verhältnisse geschickt zu nutzen.“ Auf die Frage nach der konkreten Realisierung meinte er: „Es gibt schon Häuser, die mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen. Dies kann und wird zukünftig hoffentlich Alltag  werden. Die technischen Möglichkeiten sind vorhanden – was es jetzt braucht, ist ein neues Verständnis. Weg von endlichen Ressourcen hin zu unendlichen Energieträgern wie der Sonne.
Wir müssen uns vom ‚Bauen wie immer’ verabschieden und neuen Normen und Größen die Chance geben zu Selbstverständlichkeiten zu werden. Im Bauen, im Umgang mit Ressourcen und in der Mobilität.“

„EINE 2.000-WATT- GEMEINSCHAFT IST VIEL SINNVOLLER, ALS EINE 17-ZENTI- METER-DÄMMWOLL- GESELLSCHAFT.“

Maßnahmenkombinationen statt Einheitsbrei
Laut Schön macht es nicht viel Sinn, beispielsweise als Technologie Dämmdicken vorzuschreiben, da oft andere Maßnahmen viel mehr Effizienz erwirken können. „Viel besser ist es, anstelle von Technologien Grenzwerte vorzuschreiben – Werte, wie es sie zum Beispiel für Kühlschränke und andere E-Geräte schon lange gibt. Dann bleibt es den Herstellern überlassen, ob sie durch eine dickere Hülle, durch ein besseres Kühlmittel oder durch eine Kombination von Maßnahmen die Einhaltung der Vorgaben gewährleisten. Genau aus diesem Grund ist es sinnvoller, von einer 2.000-Watt-Gemeinschaft zu sprechen, als beispielsweise von einer 17-Zentimeter-Dämmwoll-Gesellschaft. Die 2.000 Watt wären wie eine Energieklasse zu behandeln. Die Erfüllung der Anforderungen jener könnte einfach überprüft werden. Wer drüber ist, zahlt eine Steuer auf den Mehrverbrauch, um die erhöhte Umweltbelastung auszugleichen - wer drunter ist, profitiert – aus steuerlicher Sicht, energietechnisch gesehen sowieso oder durch Förderungen. Hier ist eine intelligente Politik gefragt.“

Warum es gerade an uns liegt, diesen Schritt zu gehen
Im internationalen Rahmen haben wir eine Vorbildfunktion, und diese gelte es, zweckmäßig zu nutzen, meint Schön. „In Sachen Mode nutzen wir Trends. Bei Autos, bei der Musik. Wieso also nicht auch beim energieeffizienten Bauen? Die Menschen weltweit und auch in Deutschland, Österreich oder der Schweiz sollen sich inspirieren lassen, von Nachbarn, Freunden und Bekannten. Und bei sich selbst denken: das ist cool, das ist modern, das ist Zukunft – so wie der will ich auch bauen. Denn am Ende profitieren alle davon – einschließlich der Natur.“ Die Schweiz ist bislang Vorreiter in der Umsetzung der 2.000-Watt-Regelung– zahlreiche Gemeinden und Kantone haben sich bereits zu ihr bekannt. Hier glaubt man fest daran, dass diese Vision bis 2100 Realität werden kann. Manche halten sogar 2050 für denkbar. Max Schön ist noch optimistischer – er denkt, dass eine Generation ausreichen könnte, um ein Energiebewusstsein zu schaffen, das stark genug ist, den Traum der 2.000-Watt-Gesellschaft bald wahr werden zu lassen und Energiesparen vielleicht schon bald so „en vogue“ ist, wie es sein sollte