Klimatisch Bewegt


„Der Alpentourismus wird beinahe zum Disneyland“

Andreas Künk aus Schruns über klimatische Veränderungen in den Bergen

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Foto: Andreas Künk

(lisi) Die Entwicklung der Gletscher als deutliche Auswirkung des Klimawandels,  der weltweite Rückzug der Gebirgsgletscher, gehört wohl mitunter zu den sichtbarsten Zeichen, dass sich das Klima der Erde markant verändert hat. Ferner, als welche Gletscher oftmals in unserem Sprachgebrauch betitelt werden, gelten als Schlüsselindikatoren für Klimaveränderungen. Über dieses Faktum, und auch über die Kommerzialität und den damit verbundenen Abenteuer-Massentourismus am Berg, spricht der Montafoner Andreas Künk, selbst Alpinist, selbstständiger Fotograf, Vortragsreferent und Buchautor in einer praxisnahen Analyse mit dem PASSIVHAUSmagazin.

Seit 1985 führen Sie zahlreiche Reisen und Bergtouren, unter anderem in die Westalpen, nach Afrika, auf die Arabische Halbinsel, nach Ost- und Südostasien, Nepal, Iran, Russland und Nordamerika. Dabei bestiegen Sie über 70 Fünf- und Sechstausender. Ihr bevorstehender 50. Geburtstag im Oktober bietet eine Gelegenheit, zurückzublicken: Wie kam es einst zu dieser Leidenschaft? Und gab es besonders prägende Erlebnisse?
Andreas Künk:
Seit meiner Jugend stellt dies für mich ein konstantes Hobby dar, das im Laufe der Jahrzehnte stets ausgedehnt (und auch zum Beruf) wurde – sozusagen vom Montafon in die Berge dieser Welt. Auf anfängliche Bergtouren mit dem Vater in meiner Kindheit, folgten Solo-Hüttentouren als Zwölfjähriger (schmunzelnd: Damals noch in Kniebundhosen), diese wurden dann kontinuierlich gesteigert mit Übernachtungen auf Hütten oder anschließenden Gipfeltouren. Seither war ich allein in Nepal 23 Mal. Ein besonderes Erlebnis war es, das erste Mal vor der 4.000 Meter hohen Wand des Bergmassivs Annapurna zu stehen – den Menschen in Nepal habe ich übrigens auch eines meiner Bücher gewidmet. Das extremste Abenteuer erlebte ich in Alaska bei Temperaturen bis zu minus 54 Grad Celsius.

Zum Thema der Erderwärmung: Diese bringt besonders auch für den Bergsport Veränderungen mit sich. Teilen Sie diese Meinung?
Andreas Künk
: Auf jeden Fall. Die Routen verändern sich permanent, es wird immer gefährlicher. Beispielsweise war es vor Jahrzehnten problemlos möglich, den Ochsentaler Gletscher über das „Wiesbadner Grätle“ mit einem großen Schritt vom Fels ins Eis zu erreichen -  jetzt ist hier eine zehn Meter tiefe und fünf Meter breite Randkluft zu finden, da geht nichts mehr mit einem „großen Schritt.“ Die ehemaligen Originalrouten des Piz Buin sind zudem längst nicht mehr begehbar. Als ich vor 36 Jahren erstmals auf dem Piz Buin war, sind der Ochsentaler und der Vermunt Gletscher ineinander übergegangen, zwischenzeitlich sind beide deutlich zurückgegangen.

„In den Alpen herrscht – verglichen mit anderen Regionen dieser Welt – ein regelrechter Massen-Alpintourismus.”

Besonders in Nepal und Südamerika scheint es Gletscher zu geben, die nach wie vor „wachsen“ – können Sie uns hierzu Ihre Sichtweise näherbringen?
Andreas Künk:
In entlegenen Gebieten dieser Welt gibt es weniger Schadstoffbelastungen, Industrie, auch weniger Flugverkehr, etc. Klimaveränderungen sind jedoch global betrachtet, mehr und mehr spürbar. Der Kilimanjaro-Gletscher hat sich beispielsweise in 20 Jahren halbiert. Ein Beispiel ist auch im Berner Oberland zu finden: Die Koncordiahütte wurde bei der Errichtung 1877 direkt zum Gletscherrand gebaut, nun muss man von dieser mehr als 200 Meter zum Gletscherrand aufsteigen.

Wie hat sich das Klima konkret in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Andreas Künk:
Früher war es so, dass die Schneemengen größer waren, nun sind diese geringer, die Temperaturen im Frühjahr sind jedoch deutlich gestiegen. Die geringeren Schneemengen schmelzen schneller, was zur Folge hat, dass darunterliegende Eisschichten durch die Sonneneinstrahlung schneller angegriffen werden. Der Rückgang des Gletschers und wärmere Temperaturen führen auch dazu, dass Geröllschichten nicht mehr gefroren sind, was zur Folge hat, dass diese in Bewegung geraten. Durch diese Veränderungen entstehen Spannungen an der Oberfläche, mehr Risse und dadurch vermehrt Gletscherspalten.

Wie hat sich aus Ihrer Sicht der Alpentourismus verändert?
Andreas Künk:
Klettersteige sprießen wie Pilze aus dem Boden. Diesen Trend sehe ich als eine sehr „wartungsintensive Geschichte“ – die Gefahren sehe ich besonders bei Veränderungen des Gesteins, es wird zunehmend brüchiger, die Gefahr von Felsabbrüchen bei Klettersteigen steigt meines Erachtens nach. In den Alpen herrscht – verglichen mit anderen Regionen dieser Welt – ein regelrechter Massen-Alpin-tourismus. Ich würde sagen, der Alpentourismus wird beinahe zum Disneyland. In anderen Regionen, beispielsweise in Nepal oder Pakistan, stellt der Bergsport kein Hobby für die einheimische Bevölkerung dar, vielmehr ist dieser als wichtige Einnahmequelle für die Menschen im Land zu betrachten.

Sind Klimaveränderungen – abgesehen von der Gletscherschmelze – auch in tieferen Bergsteig- und Wandergebieten spürbar? Wenn ja, wie?
Andreas Künk:
Ja, aus meiner Sicht auch für Wanderer, denn: Wetterumschwünge kommen wesentlich ausgeprägter und schneller als früher. Die Menschen beschäftigen sich zudem nicht mehr mit Langzeitwetterentwicklungen und mit einem schnellen Blick auf die Webcam kann vieles nicht eingeschätzt werden.

Worauf sollten Bergsportler achten? Welche Tipps geben Sie Kollegen mit auf den Weg?
Andreas Künk:
Ich bin der Meinung, dass eine gute Ausrüstung zwar einen wesentlichen Bestandteil darstellt, jedoch sollte man sich auch umfangreich damit befassen – es reicht nicht aus, diese im Rucksack mitzuführen. Und: So schön optische Eindrücke von diversen Webcams sein mögen, diese Impressionen zeigen die örtlichen Verhältnisse nicht. Beispielsweise ist nicht sichtbar, ob der Schnee durch Schneefall oder Windverwehungen in diverse Rinnen gelangt ist – denn: Schnee ist immer weiß. Mittlerweile werden bereits im Dezember Skitouren gegangen, das kann gefährlich sein, denn zu dieser Jahreszeit ist der Schnee meist noch nicht verdichtet.

Sie kennen die Berge dieser Welt. Und verpacken diese Impressionen als selbstständiger Fotograf visuell, aber auch rhetorisch mit diversen Themenvorträgen. Welchen Kernthemen widmen sich Ihre Vorträge?
Andreas Künk:
Mittlerweile sind sieben meiner Bücher erschienen. Diese zeigen nicht nur Bildimpressionen, auch legt der deutsche Verlag (Tecklenborg Verlag) viel Wert darauf, dass diese durch umfangreiche Informationen bereichert werden. Zudem erscheint jährlich auch ein Montafon-Kalender (Auflage 1.500 Stück) mit Impressionen aus meiner Heimat. Die Themenvorträge sind an meine Bücher angelehnt – jetzt im Oktober 2018 startet eine mehrwöchige Vortragsserie in Deutschland (Termine siehe: www.augenblicke.biz).

In ihrem breit gefächerten Kundenangebot finden sich auch Fotoreisen – wohin führen Sie diese Reisen?
Andreas Künk:
Ich sehe mich sozusagen als Bindeglied oder Mittelsperson zwischen dem Veranstalter, den Einheimischen und den reisenden Personen. Bisher habe ich nicht nur Trekkingreisen, auch Fotoreisen wie Safarireisen in Afrika, oder Reisen zu den Gorillas Ugandas, uvm. gemacht. Oftmals ist es nicht einfach, da die Gruppen sich vorher nicht kennen und einfach zusammengewürfelt werden. Ich erinnere mich an eine Kilimanjaro-Reise, diese Gruppe setzte sich aus vier Nationalitäten zusammen – neben Extremsituationen auf den Bergen kommen oftmals noch sprachliche Barrieren hinzu (schmunzelnd).