Klimatisch Bewegt


„Das Frustrationsniveau ist hoch“

Österreichs Solarexpertin und Energiebloggerin Cornelia Daniel kommentiert den Entwurf zur Klima- und Energiestrategie

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Foto: Tony Gigov Tausendundein Dach

(lisi) Konstruktive Kritik am Entwurf der Klima- und Energiestrategie übt Österreichs Solarunternehmerin, Energiebloggerin und zugleich Initiatorin des privaten „Tausendundein Dach-Programms“, Cornelia Daniel. Im Interview mit dem PASSIVHAUSmagazin definiert die Expertin unser Nachbarland Deutschland als positives Vorbild im Bereich Photovoltaik und spricht auch über Ideen, die den prozentuellen Anteil dieser alternativen Energiegewinnung steigern könnten. Dabei plädiert die Expertin klar in Richtung einer Staatsoffensive.

Daniel, Österreichs Umweltministerin Elisabeth Köstinger und Verkehrsminister Norbert Hofer haben einen Entwurf für eine integrierte Klima- und Energiestrategie (IKES) „#mission2030“ veröffentlicht. Sie als Solarunternehmerin und Energiebloggerin waren von diesem Entwurf enttäuscht. Warum genau?
Cornelia Daniel:
Dazu ist zu sagen, dass dies mittlerweile die dritte oder vierte Regierung (ich hab den Überblick verloren) ist, die einen Versuch startet, eine Energie- und Klimastrategie auf den Weg zu bringen. Die Erwartungshaltung und auch das Frustrationsniveau in der Branche ist dementsprechend hoch. Dass nun zumindest mal ein Papier auf dem Tisch liegt, ist erstmal positiv und wenn umgesetzt wird, was in manchen Passagen enthalten ist, gibt es ebenfalls Grund zur Hoffnung. Vor allem das Vorhaben, dass es mittelfristig in ganz Österreich keine klimaschädlichen Investitionen, weder öffentlich noch privat, mehr geben darf, ist ein hehres Ziel und wenn umgesetzt, dann darf de facto auch kein einziges fossil betriebenes Auto mehr gekauft werden. Geschweige denn eine Öl- und in dem Fall auch Gasheizung. Leider fehlen zu diesem Endziel aber jegliche Schritte. Ein Grund zur Sorge ist eben die Unkonkretheit der Maßnahmen und dass bereits im Vorfeld anscheinend schon wieder an allen Ecken und Enden Zuständigkeiten und Ziele gestrichen wurden und deshalb nicht anzunehmen ist, dass sich die Interessensvertreter, die die letzten zehn Jahre die Dekarbonisierung verhindert haben, nun nicht auch noch fünf weitere Wochen alles daran setzen werden um die Strategie möglichst zahnlos ausfallen zu lassen. Aber die Hoffnung, dass nun doch ernsthafte Bemühungen unternommen werden, stirbt bekanntlich zuletzt.

„Was spricht dagegen, alle öffentlichen Gebäude mit Photovoltaik auszustatten? Das spart sowohl Geld als auch CO2.“

Ziel der #mission2030 ist eine hundertprozentige Stromversorgung Österreichs aus erneuerbaren Energiequellen bis zum Jahr 2030. Dafür sollen sowohl Energieeinsparungen als auch der weitere Ausbau der Erneuerbaren sorgen. Dazu beinhaltet der IKES-Entwurf das 100.000 Dächer Programm – wie stehen Sie im Allgemeinen zu diesem Programm?
Cornelia Daniel: Als Initiatorin des privaten Programms Tausendundein Dach mit dem Ziel 1001 Gewerbedächer zu solarisieren, begrüße ich dieses Programm natürlich. Vor allem, weil wir das Programm auch aus dem Grund gestartet haben, dass sich vor wenigen Jahren so wenig getan hat im Bereich Photovoltaik. In Deutschland der 90er Jahre wurde die Photovoltaik mit dem 1000-Dächer Programm und einem darauffolgenden 100.000 Dächer Programm auf einen historischen Erfolgspfad geführt. Da es diese Bewegung in Österreich nie gab, haben wir 2014 kurzerhand eben ein privates „1000-Dächer Programm“ gestartet mit der Hoffnung, dass ein staatliches 100.000 Dächer Programm folgen wird. Dass dies nun tatsächlich passiert ist erstmal erfreulich. Nicht so erfreulich ist, dass dem Programm (noch) die Maßnahmen fehlen und eine Verzehnfachung des Marktes bis 2022 gelingen muss, damit die Ziele bis 2030 erreicht werden. Davon sind wir auch mit einem 100.000 Dächer Programm weit entfernt und nach neuen Daten der E-Wirtschaft müssten 200.000 neue PV-Anlagen errichtet werden, aber Jahr für Jahr. Bis 2030 wären das in Summe rund 2,4 Millionen neue PV-Anlagen oder 12 GWp Zubau.

 

Der Klima- und Energiestrategie ist zu entnehmen, dass aktuell die Erzeugungsquote aus PV-Anlagen lediglich einem Anteil von 1 % liegt. Und, das obwohl 83 % der Österreicher einen „Strom aus Österreich“ wollen, 95 % sogar „Grünstrom“. Sie selbst sind jedoch der Meinung, dass eine Investitionsförderung allein nicht ausreicht – welche Ideen hätten Sie, um den prozentuellen Anteil dieser alternativen Energiegewinnung zu erhöhen?
Cornelia Daniel: Sie sagen es, wir sind erst bei einem Prozent und müssen bis 2050 auf 20 Prozent kommen. Dieses 1% haben wir in 10 Jahren geschafft und wir stehen vor nicht weniger als einem kompletten Umbau unseres Energiesystems. 10-20% Investitionsförderung sind dafür nicht das geeignete Mittel, wenn rundherum alles gleich bleibt. Das ist eine Illusion vor der ich eben warnen möchte. Nur mit der Investförderung eine Verzehnfachung des Marktes zu erreichen ist weder finanzierbar noch wird es passieren. Solange die Energiepreise nicht die Vollkosten widerspiegeln und die Netzentgelte auf dem alten zentralen Energiesystem basieren mit hohen Fixkosten und geringen variablen Anteilen nicht zu sprechen von allen rechtlichen Hürden, gibt es für Investoren nicht genug Anreize für die notwendigen Milliarden, die investiert werden müssen. 12 GWp Photovoltaik kosten immerhin ca. 12 Milliarden, was im Vergleich zur Hypo Pleite wieder Peanuts sind, aber für die Privatinvestoren, die auf lange Sicht investieren müssen, braucht es klare Signale des Marktes wo die Reise hingeht. Hier wäre auch die Vorbildwirkung des Staates extrem wichtig. Was spricht dagegen alle öffentlichen Gebäude mit Photovoltaik auszustatten? Der Strom vom eigenen Dach ist mittlerweile die günstigste Energiequelle und der Staat verfügt über enorm viel günstiges Kapital. Alles Gründe, die für eine große Staatsoffensive sprechen würden, und den prozentuellen Anteil schnell erhöhen würde.

Auch ist in der Klima- und Energiestrategie festgelegt, dass die Eigenstromsteuer gestrichen werden soll bzw. ist bereits derzeit die Eigenstromproduktion der ersten 25.000 kwh steuerbefreit. Der Wegfall dieser Eigenstromsteuer sollte im Rahmen der Steuerreform behandelt werden. Würde diese Reform Ihren Wünschen entsprechen oder glauben Sie, dass auch das wenig Anreiz bringt?
Cornelia Daniel: Das ist das das Mindeste, was passieren muss, weil diese Radiesschensteuer per se eine der ignorantesten Entscheidungen der Vorgängerregierung war. Diese Maßnahme ist also nur als Reparatur eines groben Fehlers und wir haben einige Kunden, die aufgrund der Steuer noch nicht investiert haben, also Ja, es wird einen gewissen Anreiz geben. Gleichzeit bräuchte es nach diesem Vertrauensbruch auch etwas, dass dieses Vertrauen wieder herstellt. Dort wo ich den größten Hebel sehe ist tatsächlich in einer ehrlichen ökologischen Steuerreform. Hier wäre sogar eine kostenneutrale und budgetschonende Variante möglich. Solarstrom ist in vielen Fällen schon günstiger als der Strom vom Netz. Hinderlich sind aber immer noch die Einmalkosten bei der Investition. Eine Sonderabschreibung auf wenige Jahre statt der vorgeschriebenen 20 würde in der kommenden Hochkonjunktur die sich gerade abzeichnet ungeahntes Investitionsvolumen in Richtung Photovoltaik auslösen und nebenbei 2,4 Milliarden an Umsatzsteuer in die Kassen spülen. Nicht zu sprechen von den Lohnsteuern, die durch die Tausenden Arbeitsplätze dazukommen würden. Es wäre im schlimmsten Fall ein Nullsummenspiel für den Finanzminister bei gleichzeitiger Erfüllung der Klimaziele. Eigentlich eine Win-Win-Win Situation. Leider wird mir immer wieder gesagt, dass das Finanzministerium für die Energie- und Klimastrategie aber nicht zuständig ist. Solange hier nicht wirklich eng zusammengearbeitet wird und an vielen Schrauben gedreht wird, kommen wir von den niedrigen jährlichen Zubauraten nur schwer weg. Die kleine Ökostromnovelle zeigt gerade erste Erfolge und es gibt im Moment keinen besseren Zeitpunkt zu investieren, das hört 2019 aber schon wieder auf und nun wäre es umso wichtiger für 2020 den richtig großen Wurf vorzubereiten. Wenn gewünscht werde ich auch meinen Anteil dazu beitragen.