Klimatisch Bewegt


CO2-Reduktion um 80-90 %

Energieverbrauch und Bauweisen im Vergleich

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Foto: Energieinstitut Vorarlberg

(lisi) Ein Passivhaus ist keine neue Bauweise. „Passivhaus“ steht für einen Baustandard, der besondere Anforderungen bezüglich Architektur, Technik und Ökologie festlegt. Schon in der Planungsphase sind zukünftige „Häuselbauer“ mit der Frage konfrontiert: Passivhaus oder ein konventionelles Haus? Im Interview mit dem PASSIVHAUSmagazin spricht der Experte, Martin Ploss vom Energieinstitut Vorarlberg, über Zahlen und Fakten und die Wirtschaftlichkeit hocheffizienter Gebäude.

Sie sind der Bereichsleiter für „Energieeffizientes Bauen“ – wofür sind Sie im Energieinstitut Vorarlberg konkret verantwortlich?
Martin Ploss
: Der Bereich „Energieeffizientes Bauen“ ist verantwortlich für Forschung, Beratung und Bildung für Gebäude, die bereits heute eine zukunftsweisende energetische Qualität haben. Ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist die Begleitung kommunaler Gebäude (Neubau und Sanierung) im Rahmen des Beratungspakets „Nachhaltig Bauen in der Gemeinde“. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Begleitung von Forschungsprojekten im Geschoßwohnbau, in denen die Themen Energieeffizienz, Kosten und Wirtschaftlichkeit gleichzeitig optimiert werden. Unsere wichtigste Bildungsveranstaltung ist das „economicum“, in dem in jeweils ganztägigen Sessions der Zusammenhang zwischen Effizienz und Wirtschaftlichkeit untersucht und an Beispielgebäuden dargestellt wird.

Eine grundsätzliche Frage: Ist es viel teurer ein Passivhaus zu bauen, ver-glichen mit einer konventionellen Bauweise?
Martin Ploss
: Vergleicht man hocheffiziente Mehrfamilienhäuser wie Passivhäuser mit architektonisch identischen Gebäuden nach den Mindestanforderungen nach der Bautechnikverordnung, so betragen die Mehrkosten (bezogen auf die Bauwerkskosten) etwa drei bis sechs Prozent. Da diesen baulichen Mehrkosten Energieeinsparungen von etwa 2/3 gegenüberstehen, sind die hocheffizienten Gebäude wirtschaftlich – erst recht, wenn es wie in Vorarlberg und Tirol Förderungen für Effizienz gibt. Der Bewohner gibt insgesamt weniger Geld aus als in einem Gebäude mit höherem Energiebedarf. Die Mehrkosten haben wir im Forschungsprojekt „KliNaWo“ mit der gemeinnützigen Wohnbauvereinigung VOGEWOSI und der Arbeiterkammer in den vergangenen Jahren in der Praxis sehr detailliert erhoben. Die Angaben liegen in der gleichen Höhe, wie sie auch innovative Bauträger in Österreich und Deutschland nennen.
 

„Durch Wärmebrückenfreiheit und gute Luftdichtheit der Gebäudehülle ist das Risiko feuchtebedingter Bauschäden fast auf Null reduziert.“


Können Sie uns anhand eines Beispiels erklären, welchen Unterschied energieeffizientes Bauen für den zukünftigen Bewohner tatsächlich mit sich bringt?
Martin Ploss:
Der wichtigste Unterschied ist aus meiner Sicht die gesteigerte Behaglichkeit: Durch den sehr guten Wärmeschutz und die optimierten Fenster sind alle Oberflächentemperaturen sehr hoch, durch die Komfortlüftung ist jederzeit für gute Luftqualität ohne Zugerscheinungen gesorgt. Durch Wärmebrückenfreiheit und gute Luftdicht-heit der Gebäudehülle ist das Risiko feuchtebedingter Bauschäden fast auf Null reduziert. Nebenbei sind die Energiekosten deutlich geringer. In einem sehr innovativen Mehrfamilienhausprojekt in Langenegg liegen die abgerechneten Energiekosten (Heiz+WW) pro 75 m2 Wohnung bei weniger als 10 EUR/Monat. Letzter Unterschied ist natürlich die Umweltentlastung: die CO2-Emissionen können gegenüber herkömmlichen Gebäuden drastisch, oft um 80 bis 90 % reduziert werden.

Inwieweit unterstützt das Land Vorarlberg ein solches energieeffizientes Bauen? Welche speziellen Förderungen gibt es?
Martin Ploss:
Für Wohngebäude gibt es zwei Fördersysteme: In der Wohnbauförderung gibt es Boni für energieeffiziente Gebäude – je niedriger Heizwärmebedarf, Primärenergiebedarf und CO2-Emissionen ausfallen, umso höher fällt die Förderung aus. Der höchste Bonus liegt aktuell bei 460 EUR/m2 (zinsgünstiger Kredit). Zusätzlich gibt es bis zu 150 EUR/m2, wenn ein niedriger OI3-Index erreicht wird, wenn das Gebäude also auch für die Errichtung wenig Energie benötigt und wenig CO2 emittiert. In der Energieförderung werden umweltfreundliche Wärmeversorgungssysteme wie Wärmepumpe, erneuerbare Fernwärme oder Biomasse sowie Komfortlüftungen und thermische Solaranlagen gefördert. Die Höhe der Förderung ist abhängig vom Heizwärmebedarf des Gebäudes, d.h. wer eine Wärmepumpe in ein effizientes Haus einbaut, bekommt mehr Förderung als derjenige, der die Wärmepumpe in ein mittelmäßiges Haus einbaut. Während die Wohnbauförderung vom Einkommen abhängig ist, wird die Energieförderung unabhängig vom Einkommen gewährt. Wohnbauförderung und Energieförderung können kombiniert werden. Für öffentliche Gebäude gibt es das seit knapp zehn Jahren bewährte System des Kommunalgebäudeausweises. In diesem Ausweis wird die energetische und ökologische Qualität von Gebäuden in einem Punktesystem ähnlich klimaaktiv bewertet. Je höher die Punktzahl, desto höher fällt die Bedarfszuweisung aus. Für effiziente und ökologische Gebäude gelten darüber hinaus höhere Kostenobergrenzen, da die Gebäude ja in der Errichtung etwas teurer sind. Das System hat sich inzwischen sehr gut bewährt, ein sehr großer Teil der öffentlichen Neubauten und Sanierungen erreicht hohe Punktzahlen. Einige Gemeinden haben Grundsatzbeschlüsse, dass sie nur noch Gebäude mit einer bestimmten Punktzahl bauen.

Gibt es auch Gemeinden in Vorarlberg, die bei Althaussanierungen auf Erschließungsbeiträge verzichten?
Martin Ploss:
Da kenne ich kein Beispiel, aber an anderer Stelle gibt es rechtliche Erleichterungen: Um zu verhindern, dass sich dickere Dämmungen negativ auf die Baunutzungszahl bzw. auf die verkaufbare Fläche auswirken, ist bei der Berechnung der BNZ seit einigen Jahren die Innenkante der Außenwand maßgeblich.

Allgemein: Welche Maßnahmen werden von Seiten der Gemeinde diesbezüglich gesetzt? Gibt es beispielsweise Ausnahmeregelungen, bei welchen vorgeschriebenen Mindestabständen beim nachträglichen Anbringen von Wärmedämmungen nicht berücksichtigt werden?
Martin Ploss: Zur Frage der Mindestabstände bzw. der Baunutzungszahl BNZ: siehe Frage vorher: Einige Gemeinden verkaufen gemeindeeigene Grundstücke unter Auflagen an Bauträger: entweder wird eine hohe energetische Qualität generell als Vorgabe festgelegt oder der Kaufpreis sinkt bei höherer energetischer Qualität. Manchmal werden auch bestimmte umweltfreundliche Energieträger im Kaufvertrag vorgegeben.

 

PASSIVHAUSmagazin: Gibt es aus Ihrer Sicht noch weitere Ideen, wie Gemeinden energieeffizientes Bauen attraktiver gestalten bzw. forcieren könnten?

Martin Ploss: In der Vergangenheit wurden in wenigen Beispielen leicht erhöhte Grundstücksausnutzungen zugelassen, wenn Bauträger höhere energetische Qualitäten umgesetzt haben. In einer Gemeinde diskutieren wir derzeit, ob wir Anforderungen an die Bebauung auf Grundstücken, die von der Gemeinde an Bauträger veräußert werden, in Form von Verbrauchswerten festlegen können. Wer in der Praxis einen niedrigen Verbrauch nachweisen kann, bekommt einen Bonus auf den Grundstückskaufpreis. Diese Regelung hätte gegenüber der Vorgabe von (berechneten) Energiekennwerten den Vorteil, dass die tatsächliche energetische Qualität bewertet und gefördert würde und nicht das Ergebnis einer Energiebedarfsberechnung. Da der Verbrauch gewertet wird, hat der Gebäudebetreiber ein hohes Interesse an guter Planung, einer hohen Ausführungsqualität und einer guten Einregelung der technischen Systeme. Ich hoffe, wir können dieses Prinzip, das wir an einem Mehrfamilienhaus derzeit testen, in der Gemeinde umsetzen.