Klimatisch Bewegt


Als Meilensteine noch Kieselsteine waren

Ehemaliger IG-Obmann Albert Lechner erinnert sich an schwierige Anfänge des Passivhauses in Tirol

(mek) Die Interessensgemeinschaft (IG) Passivhaus Tirol begeht 2016 ihr 10-Jahr-Jubiläum. Seit der ersten Stunde dabei ist der Haustechnik-Unternehmer Albert Lechner. Der ehemlige Obmann (2008-2016) erinnert sich an die Anfänge. Und an IG-Gründungsväter, die als Klinkenputzer durch die Politik gereist sind.

Wie viele Mitglieder umfasst die IG Passivhaus Tirol derzeit?

Albert Lechner: Wir zählen an die 110. Es werden täglich mehr.

Welche sind die Ziele des Netzwerkes für Information, Qualität und Weiterbildung?

Albert Lechner: Das Passivhaus und/oder das energieeffiziente Bauen und Sanieren flächendeckend als Baustandard zu etablieren. Konkret soll mindestens der Passivhausstandard bis 2020 in der Tiroler Bauordnung verankert sein. Weiters setzen wir konsequent auf die Qualifizierung unserer Mitglieder. Damit stärken wir die Unternehmen durch Know-How und folglich die Weiterentwicklung der Produkte sowie den Wirtschaftsstandort Tirol.

Welchen Unternehmen steht das Netzwerk offen? Gibt es so etwas wie branchentechnische Zugangsbeschränkungen?

Albert Lechner: Grundsätzlich nehmen wir alle Firmen auf, die mit dem Bauen oder rund ums Bauen tätig sind. Vom Architekten über den Gärtner bis zum energieeffizienten Kühlschrankhersteller. Allerdings müssen sich alle Betriebe laufend dem eigens entwickelten Qualitätsmanagementprogramm der IG unterziehen. Im Übrigen pflegen die IG-Mitgliedsunternehmen eine offene und faire Kommunikation sowie ein wertschätzendes Miteinander.

 

Wieviel kostet die Mitgliedschaft im Verein?

Albert Lechner: Das hängt von der Größe des Unternehmens ab. Ein KMU mit 15 – 20 Mitarbeitern zahlt zwischen 1.500 und 1.700 Euro, ein EPU 350 Euro im Jahr. Hinzu kommt eine moderate Einschreibgebühr.

 

Sie sind seit der ersten Stunde der IG Passivhaus Tirol dabei, seit 2008 Obmann. Sie haben schon ans Passivhaus geglaubt, als andere dies noch als eine schlimme Krankheit gesehen haben. Woher entstammte dieser Idealismus?

Albert Lechner: Als gelernter Installateur habe ich nach der Lehre eine technische Ausbildung zum Haustechniker absolviert. Nach dem Kauf meines Unternehmens, dem ich vorher als Mitarbeiter und Geschäftsführer angehört habe, bin ich mit ersten Visionären auf dem Gebiet des energieeffizienten Bauens in Tirol zusammen gekommen. Mich hat das Konzept der Energieeinsparung sofort überzeugt.

 

Welche Meilensteine beobachten Sie in der Entwicklung des Passivhauses?

Albert Lechner: Diese Meilensteine waren ganz zu Beginn Kieselsteine! Anfang der 1990er-Jahre haben sich die IG-Gründungsmitglieder formiert. Der Auftrag war klar: Überzeugungsarbeit für das energieeffiziente Bauen und Sanieren zu leisten, neue Mitglieder gewinnen. Da sind wir schon wie die Klinkenputzer durch die Politik gereist. Die Anfänge waren schwierig, vor allem auch deshalb, weil das Passivhaus noch nicht so weit entwickelt war. Da sind dann Häuser mit Gürtel und Hosenträger entstanden. Einen Meilenstein markiert sicher der Bau des ersten gewerblichen Passivhauses Mitte der 1990er-Jahre. Irgendwann ging’s nur noch bergauf bis zum nächsten Durchbruch: Kompaktsysteme für Lüftung, Warmwasser und Heizung kamen auf den Markt. Innerhalb der IG hat frisches Blut immer wieder für neue Ideen und Entwicklungsschübe gesorgt.

 

Wo sehen Sie das Passivhaus heute?

Albert Lechner: Auf einem super Weg. Heute werden bedarfsgerechte und damit sehr konkurrenzfähige Systeme angeboten, die auch für den Privaten leistbar sind.

 

Was genau heißt leistbar? Ein hartnäckiges Vorurteil besagt, dass der Passivhausstandard für private Errichter eines Einfamilienhauses nicht erschwinglich ist…

Albert Lechner: Dank dieser Kompaktsysteme auf dem Markt liegen wir heute bei Heizkosten von einem Euro pro m² im Jahr. Bei einem 150 m² Haus ist das eine einfache Rechnung.

 

Welche Trends beobachten Sie beim energieeffizienten Bauen und Sanieren?

Albert Lechner: Die derzeit sehr beliebte Glas-Architektur im privaten Wohnbau treibt die Anforderungen an die Haustechnik und an die Gebäudehülle enorm in die Höhe. Sie hilft leider nicht, Energie einzusparen. Eine gesunde Mischung muss her – ebenso wie eine Trendwende, was die Glas-Architektur betrifft.

Danke für das Gespräch!